Haar in der Suppe

Beatrice trägt ihr dichtes schwarzes Haar kurz. Kleine, feste Locken rahmen ihr Gesicht. Nicht eine bewegt sich, selbst wenn der Wind die Riesenflügel der Stahltürme auf dem Schöppinger Berg in Rüttelflug versetzt. Die Fotos auf denen man sie mit schulterlangem Haar erkennt, sind noch nicht alt. Die Fülle hatte sie mit einer Unzahl kleiner dichter Zöpfe gebändigt. Das Strähne für Strähne vollzogene Prozedere bis zur vollendeten Flechtfrisur hielt sie für Stunden auf einen Stuhl gebannt. Seit das Gewicht der Haare vor zwei Jahren unter der Schere schwand, fühlt sie sich frei.

Zu ihrem Abschied vom Münsterland war der Frühling zurückgekehrt. Ich kannte sie bisher nur in dicken Pullovern, zur Feier des Tages trug sie ein ärmelloses, schickes kleines Schwarzes. Sie hatte es auf einer ihrer Einkaufstouren ergattert. Noch waren die Kilos an Freigepäck nicht vollständig aufgebraucht. Sie shoppte die letzten Gramm weg. „Ich ging die Straße lang“, erzählte sie beim letzten gemeinsamen Abendessen, „da ruft eine Frau unentwegt ‚Hello! Hello!‘ Die Stimme der Frau klang sehr freundlich, also ging ich zu ihr hin. Die Frau griff mich am Unterarm und zog mich in einen Hinterhof. Ich musste durch eine Tür treten und befand mich in einer Art Secondhandladen. Die Frau führte mir Kleider vor, die für ein paar Euros billig verkauft wurden.“
Etwa zwei Kilometer vom Sozialladen entfernt, kurz vor dem ersten Windkraftrad, schirmt sich die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) im Schutz der Bäume hinter Gittern ab. Betreut wird die Unterkunft von der ‚Europäischen Heimpflege‘. Vermutlich weil sich das auf englisch geschmeidiger anhört, nennt sich der Betreiber ‚European Homecare‘. Die Menschen, die da leben, haben Asyl in Deutschland beantragt. Viele von ihnen sind AfrikanerInnen. Sie bewegen sich zwischen den Klinkerfassaden und Feldern als seien sie per Anhalter in einer fernen Galaxis unterwegs.

„Wenn ich mit dem Bus von Ausflügen in der Umgebung nach Schöppingen zurückkehrte, verlangsamte der Fahrer immer an einer bestimmten Stelle und bremste in Erwartung, dass ich aussteigen würde, ab.“ Die für Beatrice vom Busfahrer antizipierte Haltestelle liegt unweit der Zentralen Unterbringungseinrichtung.

Beatrice wird morgen früh um 3.10 in Kampala landen.
Die Route der „Queen of Short Stories“1 und vielfach ausgezeichneten Schriftstellerin2  führte nicht übers Mittelmeer nach Schöppingen. Die in Uganda geborene, in der Hauptstadt Kampala lebende Autorin war für drei Monate Stipendiatin im Künstlerdorf.

Für Gäste des Künstlerdorfes empfiehlt sich die Bushaltestelle am alten Rathaus. Das gilt für Menschen jeder Hautfarbe.

https://observer.ug/lifestyle/55915-beatrice-lamwaka-the-queen-of-short-stories.html
http://deyuafrican.com/2015/02/beatrice-lamwaka/