HA[A]RVEST Konzept

Ein Projekt von barbara caveng im Münsterland, in Zusammenarbeit mit den FriseurInnen der Region und deren Kundschaft.

caveng_Ha[a]rvest
Atelier Künstlerdorf Schöppingen

Wer weiß am Abend unter welchem Himmel er aufwachen wird?

Das Projekt HA [A]RVEST nimmt Bezug auf die landwirtschaftlich geprägte Umgebung des Münsterlandes: ‚Harvest‘ ist das englische Wort für Ernte. Die Landwirtschaft mit ihren Erzeugnissen kann wesentlich zum Wohl der Gesellschaft beitragen.
Gesellschaften unterliegen einem permanenten Wandel: Wertevorstellungen und Normen ändern sich, die Lebens- & Arbeitsbedingungen erfordern eine ständige Anpassung. Technische Entwicklungen beschleunigen den Lebensrhythmus. Menschen migrieren – die einen freiwillig und aus Neugier die Welt zu entdecken, die anderen fliehen vor Krieg und Umweltkatastrophen oder sie sind der Suche nach wirtschaftlichem Auskommen.

Wer gehört zur Gesellschaft?
Die Frage löst Unruhe aus. Wer ist ‚wir‘ und wer sind die ‚anderen‘? Keiner will alleine sein. Alle sehnen sich nach sozialer Wärme.

Jedes Haar wirft seinen Schatten.
In der Antike galt das Haar als Speicher von Lebenskraft und Sitz der Seele. Die Haarlocke des Angebeteten im Medaillon oder das Haar der Geliebten zwischen Buchseiten erinnern an nahestehende Menschen. Haare sind Ausdruck von Individualität und Zugehörigkeit. Mit Haaren wird protestiert und Geisteshaltung kundgetan, ob als Hippie, Punk, Hipster oder Skin. Haare wehen für die Freiheit.

Haare sind Botschafter. Ein einziges kann den Täter verraten. Haare tragen unsere DNA: Die Unverwechselbarkeit des Menschen bleibt über den Tod hinaus in seinem Haar eingeschrieben.
Haare überdauern länger als alles andere am Körper.

Geföhnt, gekämmt, gewellt, gefärbt, geflochten oder über Lockenwickler gedreht, sind Haare Seismographen unserer Persönlichkeit und bezeugen den individuellen Wandel. Dem Frisör übertragen wir die besondere Aufgabe, das Selbst ’schön‘ zu machen und mehr noch: Nach erfolgter Behandlung erhoffen wir im Spiegel einem Bild von gesteigerter Attraktivität zu begegnen.

Schönheit ist ein Indikator für gesellschaftliche Akzeptanz.
Auf dem Boden des Frisörsalons bleiben Locken und Strähnen liegen. Das Haar verliert seinen Wert im Fallen.
Die Haarbüschel lösen ambivalente Reaktionen aus. In ihnen steckt auch der Schrecken von Zwangsrasur, Demütigung und dem Verlust von Vitalität.

Haarbergung.
Die Künstlerin barbara caveng hebt über einen Zeitraum von mehreren Monaten quer durchs Münsterland diejenigen Haare auf, die alltäglich beim Frisörbesuch durch das Schneiden, Frisieren und Rasieren auf den Boden fallen und am Ende des Tages im Müll entsorgt werden. Die kontinuierlich anwachsende Sammlung repräsentiert Haar für Haar die Komplexität von Gesellschaft – mit ihren alteingesessen Mitgliedern und flüchtigen Besuchern.
Der gemeinschaftliche Ertrag von 300 kg Haaren wird zur Erntezeit im August 2019 in einem öffentlichen Festakt zu einem Haarballen gepresst:
Ha[a]rvest, eine soziale Plastik.

Fotomontage Projektvorhaben Ha[a]rvest